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Motto "Weniger ist mehr"
Thomas Wünschs "Rocky Horror Show" präsentiert sich ernst
Zitat aus dem Zwickauer Tageblatt vom 26.06.1995 - von Susanne Benker
 

Gut besucht war die Freitags-Premiere des von Operndirektor Thomas Wünsch inszenierten Musicals "Rocky Horror Show". Wer jedoch eine verrückte Show erwartet hatte, wurde enttäuscht.

ZWICKAU. - Verrücktheit und Unkontrolliertheit, wie Operndirektor Thomas Wünsch ankündigte, war in seiner Inszenierung der "Rocky Horror Show" schwer zu erkennen. Stattdessen wurden die Zuschauer mit einem stellenweise stillen, ernsten und beinahe sakral wirkenden Stück Christian Venzke glänzte als Frank N. Furter konfrontiert, das im Gegensatz zu dem Pomp des Flower-Power-Kultstreifens auf das Allernotwendigste reduziert war. Wünsch inszenierte effektvoll nach dem Motto "Weniger ist mehr". Die Schloßmauern wurden durch ein Glasdach ersetzt, das sich je nach Handlungsort schnell verwandelbar war. Nur wenige fühlten sich animiert, Wunderkerzen anzuzünden.

Von zwei Welten handelt das Stück. Die bürgerliche, rationale des jungen Akademikers Brad (Maltus Schettler) und seiner zukünftigen Braut Janet (Jutta Kögler) wird von der dunklen Welt des Frank N. Furter (Chrstian Venzke) aufs äußerste erschüttert. Stück für Stück geraten die beiden, die ich auf Hochzeitsreise befinden und eine Reifenpanne haben, in diese Welt hinein. Die düstere, mit schweren Korfern beladene Gestalt am Anfang des Stücks kündigt nichts Gutes an. Der Zufall spielt nur scheinbar eine Rolle, die Fäden hält der Forscher Dr. Evrett Scott (Hasso Wardeck), der mit den Größen Zeit und Ort experimentiert, in der Hand. Das Experimentallabor präsentiert sich dem unschuldigen Paar anfangs nahezu lautlos, die schwarzen Gestalten bewegen sich gespenstisch, nur begleitet von einem leisen Klingeln. Wie erstarrt lassen Brad und Janet die Verführungsversuche der verruchten Gespielinnen Frank N. Furters, Columbia (Karin Kurzendörfer) und Magenta (Katja Ebert) über sich ergehen. Immer mehr geraten sie in den Strudel ihrer Gefühle. Alleingelassen im Konflikt zwischen ihren Wertvorstellungen einer bürgerlichen Welt und ihren dunklen Trieben klammern sie sich am Schluß aneinander, haben sich aber letzten Endes verloren.

Lasziv räkeln und singen sich Transsilvaniens Protagonisten durch die Handlung, ihre Gier wirkt jedoch auch bei den drastischen Szenen entschärft, so als der abtrünnige Eddie (Mario Böttrich), ein Produkt aus Frank N. Furters Experimentierküche, getötet wird. Frank N. Furter steigt nach vollbrachter Tat mit zwei kleinen Blutflecken auf seiner Schürze aus dem Orchestergraben, das Blut wird säuberlich vom Boden gewischt und ein kleines Stück Fleisch über Bühnenboden nach hinten getragen. Rocky, das Objekt der Begierde, ist eher ein drolliger Teddybär als ein muskelstrotzendes Sexobjekt. Sabine Münkner als strenge Erzählerin wirkt stellenweise etwas steif, eine so tiefe, verruchte Stimme hätte man dieser zierlichen Frau jedoch nicht zugetraut. Jutta Kögler verkörpert als Janet glänzend den Wandel von der unschuldigen Verlobten zur lüsternen Gespielin. Ein Genuß ist es, ihrer wunderschönen Stimme zuzuhören. Ausgezeichnet auch Christian Venzke in seinen sängerischen und tänzerischen Leistungen.

Schlagartig hebt das Stück in eine andere Qualität ab, als der unerschütterliche Dr. Evrett Scott die Mächte Transsilvaniens anruft, um sein aus der Kontrolle geratenes Forschungsobjekt Frank N. Furter zu richten. An ein Requiem erinnert die Szene, als dieser mit nach oben gereckten Armen zu den Klängen eines Cembalos mit Falsettstimme seinen in schwarze Gewänder gekleideten Gebieter anfleht, ihn zu töten. Das Ende der Reise sagt sich an, die mit schweren Koffern beladene Gestalt erscheint wieder. Janet und Brad bleiben zurück, sich umklammernd, neben ihnen im Halbdunkel die mumienhart zusammengerollte Gestalt des Frank N. Furter, die symbolisiert, daß die dunkle Triebwelt nun ein Bestandteil ihres Lebens ist.


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