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Am rockigen Puls der Metropole Berlin
Musical "Linie 1" in einer Basler Inszenierung machte furiose Station in Gersthofen
 

(ton). Zu den nicht eben zahlreichen erfolgreichen Musicals deutscher Herkunft zählt das von Volker Ludwig geschriebene und von Birger Heymann komponierte RockMusical "Linie 1". Die Hervorbringung der 80er fahre besitzt als stimmiges Porträt der Berliner Bahnhofs- und U-Bahn-Szene nunmehr bereits historisch-nostalgischen Wert.

In der Gersthofener Stadthalle brachte das Scala-Theater Basel unter der Regie von Klaus Hoser diese Bestandsaufnahme von Berliner Luft, Herz und Schnauze zur Aufführung und fesselte durch eine kompakte, darstellerisch und musikalisch gleichermaßen packende Aufführung. Was die "Linie 1" von etlichen US-Musicals unterscheidet, ist vor allem das meist schlüssige, gelegentlich simplifizierende' Erhellen sozialer Mißstände beim großstädtischen Nebeneinanderleben.

Als Katalysator wirkt da das Provinzmädchen Sunny (Jasmin Kalouti überzeugend durch naiv angelegten Charme und sanfte Singstimme), eine moderne Alice, die sich im Wunderland der Großstadt Berlin auf die Suche nach dem geliebten Rockstar macht. Sunnys Interesse an den Menschen in U-Bahn und Bahnhöfen vom Zoo nach Kreuzberg führt zu wahren Offenbarungseiden von Träumern und Spinnern, Junkies und Huren, Arbeitslosen und Geschäftsleuten, Spießern und Aussteigern, Neonazis und Hippies, Ewiggestrigen und Zukunftslosen.

Wie sich die Darsteller, von denen manche gleich ein ganzes Dutzend höchst unterschiedlicher Rollen wandlungsfähig und virtuos bewältigten, all diesen gesanglichen und schauspielerischen Anforderungen immer gewachsen zeigten, hatte Bravour und brachte die so nahe beisammen liegenden Komponenten Tragik, Humor und Romantik bestens zur Geltung.

Von "Sechs Uhr vierzehn Bahnhof Zoo" über komische Glanztaten wie den Auftritt der "Wilmersdorfer Witwen" spannte sich der Reigen der Songs bis hin zum - trotz des Rockstars Auftritt als Schlagerschnulzenheini - vorsichtig optimistischen Schluß, bei dem sich neue Freundschafts- und Liebesbeziehungen ankündigen. Durch die im dunklen Hintergrund der atmosphärischen Bahnhofskulisse perfekt agierende "Linie 1"-Band um Robert Paul wurde der rockige Charakter des Musicals jederzeit betont. Als Rockröhren taten sich besonders Frank Felicetti (Kleister) und Christian Venzke (Bambi) hervor.

Zwei Zugaben erklatscht

Getreu dem Spontispruch "Du hast keine Chance - Nutze sie!" ergriffen die Außenseiter der Gesellschaft am Ende die Initiative zur Selbsthilfe in einer menschlich verarmten Umgebung, und die Akteure überzeugten das Publikum in Gersthofen, welches sich als Zugaben "Fahr mal wieder U-Bahn!" und "Warten" begeistert erklatschte, davon, eine höchst sympathische und rundum geglückte Aufführung erlebt zu haben.


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